Ein Waldgarten besteht aus vorwiegend essbaren Pflanzen, die sich in mehreren Vegetationsschichten teilweise überlappen. Ganz ähnlich der Struktur von Wäldern. Diese Schichten bestehen aus Obst- und Nussbäumen, Beerensträuchern sowie Gemüse und Kräutern die langfristig miteinander angebaut und geerntet werden können.
Im Kontrast zu derzeitigen Formen des „Urban Gardening“, das oft in Hochbeeten und Kisten als Zwischennutzung erfolgt, sollen urbane Waldgärten einen dauerhaften waldartigen Vegetationsbestand aufbauen. Mit zunehmendem Alter werden Waldgärten naturnäher und multifunktionaler. Das bedeutet: neben der langfristigen Verbesserung eines Standortes hinsichtlich ökologischer Funktionen wie Bodenschutz und biologischer Vielfalt, können Waldgärten der innerstädtischen Klimaanpassung unter anderem durch Kühlung und Wasserrückhalt dienen.
Sie können für Umweltbildung genutzt werden und fördern durch gemeinschaftliches Gärtnern das nachbarschaftliche Miteinander. Mit einer Entwicklungszeit von mehreren Jahrzehnten beinhaltet dies die Chance langfristige Gemeinschaftsstrukturen zu etablieren. So könnten Waldgärten eine neue langfristige und multifunktionale Form des Urbanen Gärtnerns in Innenstädten sein.
Waldgärten können eine neue, langfristige Form des urbanen Gärtnerns sein.
Das Projekt „Urbane Waldgärten“
Egal, wohin man in Deutschlands Ballungsräumen blickt: Urban Gardening wird immer beliebter.
Die Stadtgärtnerinnen und Stadtgärtner wollen dabei oft nicht nur ihre direkte Umgebung lebenswerter gestalten, sondern bauen immer häufiger auch ihre eigenen Kräuter, Obst und Gemüse an. Wenn immer mehr Menschen in den großen, dichtbebauten Städten zeitgleich das Gärtnern mit Nutzpflanzen für sich entdecken, steigt natürlich die Nachfrage nach Flächen und auch ausgeklügelten Nutzungskonzepten für diese. Daraus folgt eine starke Nachfrage nach geeigneten Flächen- und Nutzungskonzepten sowie nach Planungsansätzen, wie Flächen in urbanen Räumen zugänglich gemacht werden können. Gleichzeitig müssen Grünflächen in der Stadt vielfältige ökologische Funktionen erfüllen. Um beides zusammen auf knapper werdendem Raum zu ermöglichen müssen neue, multifunktionale Konzepte entwickelt und erprobt werden.
Projektentwicklung und Voruntersuchung
Das Projekt wurde zunächst in einer wissenschaftlichen Voruntersuchung im Rahmen eines Erprobungs- und Entwicklungsvorhaben mit dem Titel „Waldgärten als langfristige, multifunktionale Flächennutzung im urbanen Raum“ durch ein Team der Universität Potsdam entwickelt und von Juli 2018 bis April 2020 durch das Bundesamt für Naturschutz mit Mitteln des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit gefördert. In dieser Zeit suchte das Team der Universität Potsdam in Berlin und bundesweit nach Kooperationsmöglichkeiten, z.B. mit Bezirksämtern, Vereinen und Initiativen, und nach Standorten auf öffentlichen und privaten Grünflächen. Praktische Umsetzungsmöglichkeiten wurden nach bestimmten Auswahlkriterien untersucht, wodurch allgemeine Rahmenbedingungen für das Konzept Waldgarten in der Stadt modellhaft entwickelt werden konnten. Ein zusammenfassender Bericht mitsamt einem Leitfaden zum Vorgehen zur Flächensuche und -auswahl wird derzeit erstellt.
Worum geht es bei dem Projekt „Urbane Waldgärten“ aktuell und konkret?
Das Projekt „Urbane Waldgärten: Mehrjährig, mehrschichtig, multifunktional“ ist ein Verbundvorhaben der Universität Potsdam gemeinsam mit dem Bezirksverband Berlin-Süden der Kleingärtner e.V., dem Freilandlabor Britz e.V. und dem Umwelt- und Gartenamt der Stadt Kassel und wird seit April 2021 für eine Laufzeit von 6 Jahren im Bundesprogramm Biologische Vielfalt durch das Bundesamt für Naturschutz mit Mitteln des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit gefördert. In drei Projekt-Waldgärten in Berlin und Kassel, die als praktische Modellvorhaben entstehen, sollen Umweltbildung, soziales Miteinander und eine naturnahe und langfristige Form des Urban Gardening erprobt werden, so dass für städtische Grünflächen wichtige soziale Funktionen in Synergie mit den ökologischen Funktionen, wie der Förderung der biologischen Vielfalt, zum Tragen kommen.
Neben dem nachhaltigen Anbau stehen deshalb auch die gemeinschaftliche Planung, Umsetzung und der Betrieb von Waldgärten mit den beteiligten Gruppen im Fokus. Die Eigenverantwortung der Teilnehmenden wird als Zukunftskapital gesehen. Akzeptanzbildende Maßnahmen, Öffentlichkeits-arbeit und Prozessbegleitung sind dabei grundlegend für eine langfristig positive Gruppendynamik und eine feste Integration der Projekte in das jeweilige Stadtumfeld. Im Rahmen des wissenschaftlichen Monitorings der ökologischen, klimatischen und sozialen Effekte sollen die Menschen vor Ort auch anhand von Citizen Science-Formaten einbezogen werden. Aus den Erfahrungen soll eine Wissensplattform für weitere Standorte bundesweit weiterentwickelt werden.
Waldgärten orientieren sich in ihrem Aufbau an natürlichen Wäldern.
Warum brauchen wir in Deutschlands Städten Waldgärten?
In Deutschland lebt bereits ein Großteil der Bevölkerung in dicht besiedeltem Gebiet, die Urbanisierung schreitet weiter voran. Die nachhaltige, sozial und ökologisch verträgliche Stadtentwicklung steht vor immensen Herausforderungen. Vor dem Hintergrund der Auswirkungen des Klimawandels, demographischer Veränderungen, steigender Umweltbelastungen, mangelnder Umweltgerechtigkeit und fortschreitender Entfremdung der aufwachsenden Generationen von Naturerfahrungen, wird es immer schwieriger, gute Lebensbedingungen in den Städten zu sichern. Zunehmender Nutzungsdruck und konkurrierende Flächenansprüche verlangen neue Gestaltungen und Nutzungsformen in städtischen Ballungsräumen.
Welche Funktionen können Waldgärten in der Stadt erfüllen?
Ökologische Funktionen

Stadtnatur und biologische Vielfalt
Die meisten Waldgärten bestehen aus 100 bis 200 Pflanzenarten mit sehr unterschiedlichen Wuchsformen. Die so entstehende Vielfalt an räumlichen Strukturen bietet Lebensräume für unterschiedliche Tierarten. Auch das große Spektrum an Obstbäumen und Sträuchern, …

Verbesserung der Klimafunktion
Waldgärten können einen positiven Beitrag zum Stadtklima leisten. Durch ihre mehrschichtige Vegetation wird einerseits der lokale Wasserrückhalt ermöglicht, andererseits aber auch die lokale Wasserverdunstung erhöht und so die Umgebung gekühlt.

Schutz der Bodenfunktionen
Nach anfänglichen Pflanzungen vorwiegend mehrjähriger Pflanzen, wie Bäumen, Sträuchern und mehrjährigem Gemüse, bleibt der junge Waldgarten größtenteils ungestört. Blätter und Äste werden als Mulchmaterial verwendet und mit der Zeit am Boden zersetzt.
Soziale Funktionen

Gemeinschaftlich Gärtnern
Waldgärten bedürfen einiger Jahre der guten und achtsamen Pflege um sich von einer Freifläche langsam in einen essbaren Wald zu entwickeln. Dies erfordert ein koordiniertes Vorgehen zur Planung, Pflanzung und Pflege und einen langfristigen Horizont, was Träger- und Nutzerstrukturen betrifft.

Umweltbildung
Wie unterschiedlich können Äpfel schmecken? Blüten in den Salat? Neben der Veranschaulichung ökologischer Prinzipien können „neue“ teils traditionelle, aber nicht mehr verbreitete Nahrungsmittel wie z.B. essbare Beerensträucher erschlossen und über Genuss- und Sinneserleben …

Mehrschichtiger Nahrungsmittelanbau
Waldgärten haben durch ihre Mehrschichtigkeit ein hohes Produktionspotential, da der dreidimensionale Raum zum Gärtnern genutzt wird und mehrjährige Pflanzen langfristig ertragreiche Bestände entwickeln können.
Obwohl der städtische Anbau von Lebensmitteln im urbanen Waldgarten nur einen kleinen Beitrag zur Lebensmittelversorgung leisten kann, so können Waldgärten jedoch einen großen Beitrag zur Sensibilisierung der Städter für gesunde Ernährung leisten. Sei es durch das Kennenlernen von unbekannten heimischen und exotischen Obstsorten, den Erhalt alter Kulturpflanzen, sowie durch Erfahrungen, wie man den Aufbau und Erhalt der Bodenfruchtbarkeit bewirken kann.
Aktuelles
Termine
Urbane Waldgärten: Projektstandorte & andere Waldgärten
Standort in Berlin
In Berlin-Britz wird ein Modellprojekt auf einer neu zu entwickelnden Kleingartenanlage entstehen. Dieses soll als innovativer Waldgarten-Kleingartenpark mit einem integrierten Gemeinschaftsgarten und dem Leitbild Waldgarten für die gesamte Anlage umgesetzt werden.
Standorte in Kassel
In Kassel sollen zwei Urbane Waldgärten realisiert werden: einer in Waldau im Bereich Wahlebachgrünzu und ein weiterer ist in Bad Wilhelmshöhe im Bereich Marbachshöhe in Diskussion. Im Sommer 2021 werden vorbereitende Untersuchungen und Planungen sowie ein breit angelegter Beteiligungsprozess stattfinden.
Vernetzung bundesweit
Habt Ihr bereits einen Waldgarten oder baut ihr gerade einen solchen auf? Dann schickt uns per E-Mail Informationen und die Geodaten Eures Projekts und wir nehmen Euch in unsere Karte auf. Wir wollen so dazu beitragen, dass Waldgärten voneinander erfahren, sich vernetzen und Erfahrungen und Ideen untereinander austauschen können.